Dieses Buch liest sich wie eine Befreiung. Ja, doch, es gibt eine real existierende Alternative zum Kapitalismus und zum untergegangenen Staatssozialismus, zum übermächtigen Markt und Staat. Sie ist menschen- und naturfreundlich. Sie befriedigt Bedürfnisse und produziert Verbundenheit. Sie ist so alt wie die Menschheit und doch so modern wie neueste Computertechnik. Sie ist überall auf dem Globus präsentiert. Es handelt sich um die Commons. Manche sagen dazu auch „Gemeineigentum“, doch das ist unzulässig verkürzt. Commons sind lebendige soziale Prozesse, in denen Menschen selbstorganisiert ihre Bedürfnisse befriedigen.
Mit großem theoretischen und empirischen Aufwand haben die beiden die Ergebnisse der Commons-Forscherin und Nobelpreisträgerin Ellinor Ostrom in vielfältiger Weise vertieft und erweitert. Die „Triade der Commons“ entsteht demnach im alltäglichen Miteinander (soziale Sphäre), in der bewussten Selbstorganisation der Gleichrangigen (politische Sphäre) und in der gemeinsamen Befriedigung von Bedürfnissen (wirtschaftliche Sphäre). Dabei praktizieren die Beteiligten überall grundlegende Muster. Um nur einige zu nennen: „gemeinsame Absichten & Werte kultivieren“, „ohne Zwänge beitragen“, „sich in Vielfalt gemeinsam ausrichten“, “gemeinstimmig entscheiden“, „Regelbrüche stufenweise sanktionieren“ und „Wissen großzügig weitergeben“. Die Linux-Software etwa entstand, weil der Erfinder sein Wissen nicht patentierte, sondern quelloffen weitergab, sodass alle Beteiligten Linux gemeinsam verbessern konnten.
Durch Commoning kann heute praktisch alles gemeinsam produziert und genutzt werden, was Menschen brauchen. In mehr als 260 „offenen Werkstätten“ in deutschsprachigen Ländern werden Solarautos, Lampen, Stoffe, Möbel, Lastenräder und vieles andere hergestellt. In Projekten der Solidarischen Landwirtschaft wird Gemüse gezogen und das Risiko, dass die Ernte verhagelt, gemeinsam getragen. Eigentum ist keineswegs verboten, aber seine Nutzungsform ist verändert. Die „Open Seed Initiative“ etwa verbreitet patentfreies Saatgut. Und das „Mietshäuser Syndikat“ löst Wohnraum aus dem Markt und überlässt ihn Menschen, die zugleich Mieter und Eigentümer werden.
Die befreiende Botschaft des Buches: Die Macht der Commons ist real. Durch Commoning werden Lebensmittel angebaut und verteilt, Wälder geschützt, Wohnraum geschaffen, Menschen gepflegt, Traktoren entworfen, Schulbücher verfasst, gemeinwohlorientierte Kreditsysteme geschaffen und vieles mehr. Commons gehören zu einer Bewegung und Weltanschauung, die die Menschheit planetenfreundlich durch kommende Jahrhunderte tragen kann.
„Um den „Zauber der Commons“ wiederherzustellen, haben Silke Helfrich und David Bollier eine Philosophie der Bezogenheit entwickelt – mit vielen neuen Begriffen, die etwas in uns zum Klingen bringen. Denn jeder Mensch kann nur ein „ich“ werden, indem er in ein „wir“ hineinwächst und von ihm lernt. Schon Goethe wusste: „Mein Werk ist ein Kollektivwesen, das den Namen Goethe trägt“. Und Nelson Mandela machte das südafrikanische „Ubuntu“-Denken berühmt: „Ich bin, weil wir sind.“ Wir alle sind ein „Ich-in-Bezogenheit“, unsere Identitäten sind vielfältig und aufeinander bezogen. Daraus resultiert eine „Freiheit-in-Bezogenheit“. Und eine andere Form von Eigentum: das „beziehungshafte Haben“. Hierfür grub das Autorenduo tief in der Rechtsgeschichte und fand jenseits von Privat- und Gemeinschaftseigentum eine alte römische Rechtsform, das „res nullius in bonis“, das wachgeküsst werden müsste.